
Fakten zu unserer Ernährung und warum sie ein Problem ist
Adrean LiegelUnsere derzeitige Nahrungsmittelproduktion bedroht die Stabilität des Klimas und schwächt die Widerstandsfähigkeit bestehender Ökosysteme. Unsere Ernährung ist der mit Abstand größte Verursacher von Umweltzerstörung und der Hauptgrund der Überschreitung diverser planetarer Grenzen. Zeitgleich ist unser aktuelles Ernährungssystem für rund 20% aller vorzeitigen Tode verantwortlich. Eine radikale Umgestaltung unseres Lebensmittelsystems ist dringend ratsam. Dieser Text befasst sich vor allem mit dem Problem - den Lösungsartikel findest du in der Blog-Kategorie Nachhaltigkeit unter dem Stichwort "Planetary Health Diet".
Inhaltsverzeichnis:
- Einleitung
- Wie unsere Ernährung der Gesundheit schadet
- Wie unsere Ernährung die Artenvielfalt auffrisst
- Wie unsere Ernährung den Klimawandel befeuert
- Ernährung und Lebensmittelverschwendung
- Zusammenfassung und Fazit
- Quellenangabe
Einleitung
Der Grund für unsere Ernährung sind unsere Gesundheit und der Selbsterhaltungstrieb. Deshalb bezeichnen wir Essen als Lebens- und Nahrungsmittel: Weil uns diese Mittel nähren und (über-)leben lassen. Darauf gehe ich im ersten Abschnitt ein. In den weiteren Abschnitten widmen wir uns den umweltbezogenen Faktoren, welche mindestens ebenso wichtig sind, denn: Langfristige Gesundheit kann nur mit einer nachhaltigen Ernährung funktionieren. Unsere Ernährung bedingt die Natur (IPBES, 2019).
Im Jahr 2050 werden voraussichtlich rund 10 Milliarden Menschen auf der Erde leben, doch schon heute ist die weltweite Landwirtschaft an ihren Grenzen. Obwohl die Kalorien- und Nahrungsmittelproduktion im Allgemeinen mit dem Bevölkerungswachstum Schritt gehalten hat, hungern noch immer mehr als 820 Millionen Menschen täglich (EAT, 2019). Zeitgleich gilt ein anderer Teil der Menschheit, weltweit rund 2 Milliarden Erwachsene, als übergewichtig - ernährungsbedingte Krankheiten sind die Folge (WHO, 2021a).
Des Weiteren bedroht unsere derzeitige Nahrungsmittelproduktion die Stabilität des Klimas und schwächt die Widerstandsfähigkeit bestehender Ökosysteme. Unsere Ernährung ist der größte Verursacher von Umweltzerstörung und der Hauptgrund der Überschreitung diverser planetarer Grenzen. Um es in den Worten der EAT-Lancet Kommission zu sagen: “Zusammengenommen sind die Erkenntnisse katastrophal. Eine radikale Umgestaltung des globalen Lebensmittelsystems ist dringend erforderlich” (EAT, 2019).
Wie unsere Ernährung der Gesundheit schadet
Ernährungsbedingte Krankheiten sind weltweit für rund 20% aller vorzeitigen Tode verantwortlich. Dazu zählen sowohl Unterernährung als auch Übergewicht (IPBES, 2019). In Deutschland entfallen rund ein Drittel aller Kosten des Gesundheitssystems auf Krankheiten, die direkt oder indirekt mit unserer Ernährung zusammenhängen (KNK, 2022) - zum Beispiel Diabetes, Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Karies und mehr.
Weltweit sterben mehr Menschen an den Folgen von Übergewicht als an Unterernährung. Die weltweite Anzahl an übergewichtigen Menschen hat sich seit 1975 fast verdreifacht - auf mittlerweile rund 2 Milliarden Erwachsene weltweit (WHO, 2021a). Und Deutschland ist dabei: Mehr als die Hälfte aller Erwachsenen in Deutschland (62% der Männer und 43% der Frauen) gelten als übergewichtig oder fettleibig (KNK, 2022).
Die zwei gravierendsten Gründe für Übergewicht und damit einhergehenden Erkrankungen sind zum einen der stark erhöhte Verzehr von energiereichen, fett- und zuckerhaltigen Lebensmitteln und zum anderen die Abnahme von körperlichen Aktivitäten aufgrund der Zunahme von sitzenden Tätigkeiten. Wir sitzen bei der Arbeit, im Auto oder auf der Couch und müssen uns kaum noch bewegen, um überleben zu können (WHO, 2021a).
Früher waren die gesündesten Lebensmittel die am leichtesten verfügbaren, zum Beispiel Obst und Gemüse aus dem Garten. Fleisch und Zucker waren selten und teuer. Heute ist das genau andersrum. Fertigprodukte und ähnliches sind an jeder Ecke zu bekommen und halten sich länger - deshalb landen Obst und Gemüse auch häufiger im Müll. In unserem System ist es leichter, günstiger und schmackhafter, sich ungesund zu ernähren.
Während ein reicher Teil der Menschheit zu viel isst und produziert, fehlt es anderswo. Hunger und Armut gehen seit 1990 weltweit zurück, dennoch gelten noch immer etwa 700 Millionen Menschen als extrem arm. 800 Millionen Menschen hungern täglich und 2 Milliarden Menschen leiden an Nährstoffmangel (FAO, 2022b). 3,1 Milliarden Menschen haben keinen gesicherten Zugang zu gesunder Ernährung (FAO, 2022a) und rund 40% der Weltbevölkerung leben ohne Zugang zu sauberem Trinkwasser (UN, 2019).
Mehr als die Hälfte aller von Unterernährung betroffenen Menschen (418 Millionen) leben in Asien, mehr als ein Drittel (282 Millionen) in Afrika und ein kleinerer Anteil (60 Millionen) in Lateinamerika und der Karibik (WHO, 2021b). Wie kann es sein, dass sich ein Teil der Menschheit überisst (so sehr, dass einige daran sterben), während ein anderer Teil verhungert? Der Schlüssel liegt zu großen Teilen in unseren Ernährungsgewohnheiten.
Weltweit sterben mehr Menschen an den Folgen ungesunder Ernährung als durch ungeschützten Sex, Alkohol-, Tabak- und Drogenkonsum zusammen. Unsere Ernährung hat den größten Einfluss sowohl auf unsere eigene Gesundheit als auch auf das Wohlergehen unserer Umwelt - beides wird derzeit massiv durch eben jene gefährdet (EAT, 2019). Unsere Ernährung ist der Hauptgrund für das aktuelle Artensterben.
Wie unsere Ernährung die Artenvielfalt auffrisst
Das aktuelle Artensterben gilt - neben dem Klimawandel - als die derzeit größte Umwelt-Bedrohung unseres Planeten (Ceballos et al., 2020). Schuld daran sind vor allem unsere weltweite Ernährung und die damit verbundene Umgestaltung von Land und Meer (IPBES, 2019). Unsere Ernährung ist für rund 70% aller vom Aussterben bedrohten Arten an Land und für 50% aller Arten in Flüssen und Seen verantwortlich (WWF, 2022b).
Die Landwirtschaft ist momentan der weltweit größte Treiber des Artensterbens. Von den 28.000 uns bekannten Arten, die auf der Roten Liste der IUCN als akut vom Aussterben bedroht eingestuft sind, werden 24.000 direkt durch die Art und Weise unserer Landwirtschaft gefährdet (Ritchie & Roser, 2019). Nachtrag: Mittlerweile sind bereits über 40.000 Arten als vom Aussterben bedroht gemeldet (IUCN, 2023).
Die Schädlichkeit bestimmter Lebensmittel hinsichtlich der Artenvielfalt lässt sich zum Beispiel mit dem Biodiversitäts-Fußabdruck berechnen. Besonders wichtig sind dabei drei Anbaukriterien: 1. Der Flächenverbrauch (und die Dauer der Nutzung), 2. Die Art und Weise der Nutzung (Intensität) und 3. Die betroffene Region. Die Region beschreibt den ökologischen Wert eines Gebietes hinsichtlich der Artenvielfalt (WWF, 2022b).
Fleisch und Wurstwaren sind bei unserer derzeitigen Ernährung in Deutschland mit 58% am verheerendsten für die Artenvielfalt. Obst, Gemüse, Getreide und Nüsse folgen mit 23% und Molkereiprodukte wie Milch, Käse und Eier sorgen für rund 19% unseres Biodiversitäts-Fußabdrucks. Demnach sind tierische Lebensmittel für etwa 77% des durch unsere Ernährung in Deutschland bedingten Artensterbens verantwortlich (WWF, 2022c).
1. Wasser- und Flächenverbrauch
Für unsere derzeitige Ernährung in Deutschland nutzen wir weltweit (und insgesamt) landwirtschaftliche Flächen von rund 16,61 Millionen Hektar. Das entspricht etwa der Hälfte Deutschlands. Pro Person und Jahr sind das rund 2.022qm. Davon entfallen etwa 1.100qm (54%) auf die Produktion von Fleisch und Wurst, 514qm (24%) auf Obst, Gemüse und Getreide und 403qm (20%) auf Milch, Käse und Eier (WWF, 2022a).
Hauptgrund für den schlechten Biodiversitäts-Wert tierischer Lebensmittel ist vor allem die Gewinnung von Futtermitteln und der damit verbundene Flächenverbrauch. 75% aller für die Ernährung von Deutschland benötigten landwirtschaftlichen Flächen entfallen auf die Erzeugung tierischer Produkte. Das sind weltweit etwa 12,38 Millionen Hektar - eine Fläche so groß wie Bayern, Hessen, Thüringen und Sachsen zusammen (WWF, 2022c).
Alleine Soja, als wichtigstes Futtermittel, ist für rund 29% unseres ernährungsbedingten Biodiversitäts-Fußabdrucks verantwortlich. Für unseren Sojabedarf in Deutschland belegen wir weltweit etwa 2,8 Millionen Hektar. Das ist mehr als 10-mal so viel wie die Größe Luxemburgs. 96% davon entfallen auf die Tierindustrie. Nur 4% von allem angebauten Soja sind für den menschlichen Konsum bestimmt (Tofu, Sojamilch etc.) (WWF, 2022c).
Nach Soja kommen Weizen (15%) und Mais (12%) im Schädlichkeits-Ranking um die Biodiversität. Grund hierfür ist abermals der hohe Flächenverbrauch: Weizen belegt etwa 2,9 Millionen Hektar und Mais rund 2,1 Millionen Hektar (WWF, 2022b) - auch von diesen beiden landet das meiste in den Futtertrögen der Tierindustrie. Für menschlichen Konsum bestimmtes Weizen in Deutschland verbraucht nur etwa 853.000 Hektar (WWF, 2022c).
Obwohl Weizen in der Ernährung Deutschlands mehr Fläche einnimmt als Soja, gilt der Sojaanbau doch als fast doppelt so schädlich für das Artensterben. Grund dafür sind vor allem die Art und Weise des Anbaus sowie die Anbauregion. Die Hälfte von allem in Deutschland verwendetem Soja stammt aus Brasilien - Weizen und Mais werden vor allem in Europa produziert (WWF, 2022c). Mehr dazu in den nächsten Abschnitten.
Neben der totalen Fläche ist auch die Größe der Felder selbst entscheidend. Feldränder sind wichtig, weil sie Insekten und deren Lebensräume vernetzen. Würde wir die durchschnittliche Größe eines Ackers in Deutschland von 5 auf 2,8 Hektar verkleinern, hätte das den gleichen positiven Effekt auf die Biodiversität, wie wenn sich der Anteil naturnaher Lebensräume von 0,5% auf 11% vergrößern würde (hbs, 2020).
70% von allem weltweit genutzten Wasser entfällt auf die Landwirtschaft - jedoch ist in diesem Fall eine globale Betrachtung nicht unbedingt zielführend. Verfügbarkeiten und Qualitäten sind regional bedingt. Der Anbau von Pflanzen in regenreichen Gebieten hat üblicherweise kaum Einfluss auf den Wasserkreislauf - dieselben Pflanzen in trockenen Gebieten hingegen, mit künstlicher Bewässerung, können verheerend sein (WWF, 2022c).
Für unseren derzeitigen Nahrungsmittelbedarf in Deutschland verbrauchen wir insgesamt etwa 2.400 Millionen Kubikmetern pro Jahr - das entspricht in etwa der Wassermenge des Chiemsees. Pro Person und Jahr sind das 29.000 Litern. Davon gehen 82% auf das Konto pflanzlicher und 18% auf das Konto tierischer Lebensmittel. Grund dafür ist, dass Obst und Gemüse im Schnitt sehr viel mehr künstlich bewässert werden als tierische Futtermittel (WWF, 2022c).
Ökologische Projekte aus beispielsweise Spanien zeigen, dass es bei passender klimatischer Umgebung (trotz wenig Regen) möglich ist, ganz ohne künstliche Bewässerung auszukommen - zum Beispiel mittels Bodenbegrünung und Mulch sowie dem Verzicht auf mechanische Bodenbearbeitung und -verdichtung. 96% aller Lebensmittel in Deutschland aus Anbaugebieten mit potenzieller Wasserknappheit entfallen auf den Anbau pflanzlicher Nahrungsmittel (WWF, 2022c).
2. Monokulturen, Dünger und Pestizide
80% aller weltweiten Anbauflächen sind Monokulturen (Mukhovi & Jacobi, 2022) und 52% aller Anbauflächen gelten als ökologisch heruntergewirtschaftet (FAO, 2017). Das bedeutet zum Beispiel, dass natürlicher, im Boden gebundener Kohlenstoff, sowie Bestäuber-Vielfalt zurückgegangen sind, was schon heute einen geschätzten Nahrungsmittelverlust von etwa 235 bis 577 Milliarden Dollar pro Jahr ausmacht (IPBES, 2019).
Einem Bericht der FAO zufolge bilden sich jedes Jahr auf einer Fläche von 12 Millionen Hektar durch Bodenverschlechterung und Dürren neue Wüsten - ein Gebiet, das fast so groß ist wie Griechenland oder die gesamte landwirtschaftliche Fläche Deutschlands (FAO, 2019). Schädlinge profitieren von großen Monokulturen und schwachen Böden - das wiederum führt üblicherweise zu mehr Düngern und Pestiziden (hbs, 2020).
In Deutschland sind 71% aller Ackerwildkrautarten seit 1950 verschwunden. Der Grund: Monokulturen, Überdüngung und Pestizide. Auf langjährig ökologisch bewirtschafteten Flächen ohne Pestizid-Nutzung wachsen bis zu 17 mal mehr unterschiedliche Pflanzenarten als auf Flächen, die erst seit wenigen Jahren nachhaltig bewirtschaftet werden (hbs, 2022). Weniger Pflanzen heißt üblicherweise weniger Insekten.
In den letzten 27 Jahren sind die Bestände von Fluginsekten in Deutschland - gemessen in Naturschutzgebieten (!) - um über 75% gesunken (Hallmann et al., 2017). Weltweit sind inzwischen bis zu 40% aller Insektenarten vom Aussterben bedroht und jedes Jahr verlieren wir weitere 2,5% (WWF, 2022a). Das ist fatal, denn: Die Natur ist für die menschliche Existenz und eine gute Lebensqualität unerlässlich (IPBES, 2019).
Insekten verbessern die Bodenqualität, bauen abgestorbene Tiere und Pflanzen ab und bestäuben etwa 75% unserer wichtigsten Ess- und Kulturpflanzen weltweit. Insekten bilden die Grundlage unserer Nahrungskette und sorgen für saubere Gewässer, den natürlichen Abbau von Schadorganismen und das ökologische Gleichgewicht zwischen Schädlingen und Nützlingen (hbs, 2020). Unsere Landwirtschaft arbeitet gegen die Natur.
Die weltweite Menge an eingesetzten Pestiziden ist seit 1950 um das Fünfzigfache gestiegen (hbs, 2020). Um beim Beispiel Soja zu bleiben: In Brasilien sind 52% der gesamten Pestizid-Verkäufe für die Anwendung im Sojaanbau bestimmt. Parallel zur Sojaproduktion, die sich seit 1990 fast versechsfacht hat, werden heute in Brasilien neun Mal mehr Pestizide gespritzt als noch vor 30 Jahren (hbs, 2022).
3. Anbauregion und Lebensräume
Neben dem Flächenverbrauch und der Intensität des Anbaus spielt auch die geographische Herkunft unserer Lebens- und Futtermittel eine wichtige Rolle bei der Berechnung des Biodiversitäts-Fußabdrucks. Generell gesprochen weisen die Anbaugebiete von Ölpalmen durchschnittlich die höchste ökologische Wertigkeit auf, gefolgt von jenen für Soja, Kakao und Bananen (WWF, 2022b).
Weizen und Mais werden beispielsweise im Vergleich zu Soja (trotz ihres enormen Flächenverbrauchs) nur deshalb als weniger schädlich für die Artenvielfalt angesehen, weil sie vor allem in Europa angebaut werden. Europa verfügt (mittlerweile) über eine nur mehr geringe Artenvielfalt - Brasilien und ähnlich tropische Länder hingegen weisen (noch) einen hohen ökologischen Wert auf.
Tropische Regenwälder sind von besonders großem Wert: Tropenwälder nehmen zwar nur 7% der weltweiten Landfläche ein, beheimaten aber rund 50% der biologischen Vielfalt auf unserem Planeten (WWF, 2020). Dennoch wird jede Sekunde mehr als ein Hektar Regenwald abgeholzt (US EPA, 2009). Seit 1990 gingen schätzungsweise 420 Millionen Hektar Wald verloren, das entspricht ungefähr der Größe der Europäischen Union (BMZ, 2022).
Mehr als 90% aller globalen Waldzerstörung gehen auf die Landwirtschaft zurück (BMZ, 2022). Die Hälfte aller tropischen und gemäßigten Wälder der Welt sind bereits verschwunden (US EPA, 2009). Über 85% aller natürlich vorkommenden Feuchtgebiete sind in den letzten 300 Jahren zerstört worden und rund 500.000 Arten haben keinen passenden Lebensraum mehr für ein langfristiges Überleben (IPBES, 2019).
Eine neue (alte) Gefahr: Etwa 60% aller uns bekannten Infektionskrankheiten sind Zoonosen wie HIV, SARS oder Ebola (Corona?). Zoonosen sind Krankheiten, die von Tieren auf den Mensch übertragen werden. Aufgrund immer kleiner werdender Lebensräume und dem zunehmenden Druck auf die noch verbleibenden Ökosysteme wird die Häufigkeit solcher Krankheiten vermutlich zunehmen (WWF, 2022c).
Wie unsere Ernährung den Klimawandel befeuert
Der gesamte Nahrungsmittelsektor - von der Produktion, über Lagerung, Verarbeitung und Transport, bis hin zu Handel, Konsum und Entsorgung - ist für etwa 40% aller weltweiten Treibhausgas-Emissionen und für 30% des gesamten Energieverbrauchs weltweit verantwortlich. Mehr als zwei Drittel dieser Emissionen entfallen auf die Erzeugung von Fleisch und Milch (Germanwatch, 2021).
32% aller Emissionen unserer Ernährung sind auf initiale Landnutzungsänderung zurückzuführen (z.B. Rodung), 39% entstehen bei der Produktion (auf dem Feld oder im Stall), 3,5% bei der Verarbeitung, 4,8% während des Transports, 5,5% entstehen durch Verpackung, 4,0% beim Einkauf, 2,5% durch unseren Konsum (z.B. durch die Zubereitung) und 8,6% entstehen durch unseren Abfall (Gase und ähnliches) (Germanwatch, 2021).
Weltweite Landnutzungsänderungen, Pflanzenproduktion und Düngung sind für rund 25% aller Treibhausgasemissionen insgesamt verantwortlich, wobei tierische Lebensmittel etwa 75% davon ausmachen (UN, 2019). Aufgrund unseres steigenden Fleischkonsums werden immer mehr Flächen zur Futtergewinnung benötigt, weswegen weltweit Savannen und Wälder gerodet werden, insbesondere in Südamerika (Germanwatch, 2021).
Der brasilianische Teil des Amazonas, auch bekannt als die grüne Lunge unseres Planeten - der größte und artenreichste Regenwald unserer Erde - stößt mittlerweile mehr Treibhausgase aus, als er absorbiert (Nat Geo, 2021). Grund dafür sind vor allem Brandrodungen und Entwaldung. Unsere täglichen Essgewohnheiten und Konsumentscheidungen haben großen Einfluss darauf (EAT, 2019).
Tierische Produkte machen etwa 36% unserer Ernährung in Deutschland aus (gemessen in Kilogramm), sind aber für etwa 69% aller ernährungsbedingten Treibhausgase verantwortlich (BMEL, 2022; WWF, 2012). Rind- und Lammfleisch sowie Butter sind besonders schwerwiegend: Auf jedes Kilogramm von diesen kommen durchschnittlich 15-20kg CO2e. Ähnlich sieht es auch bei Milchpulver aus (WWF, 2012).
Wenn Fleisch oder Futtermittel von gerodeten Flächen stammen, dann steigt der Treibhausgas-Wert tierischer Lebensmittel noch einmal um mehr als das Dreifache - zum Beispiel auf bis zu 83kg CO2e pro Kilogramm Rindfleisch (Berners-Lee, 2021). Käse und Schweinefleisch verursachen pro Kilogramm durchschnittlich 8kg CO2e. Fisch, Geflügel, Milch und Eier liegen zwischen 2-4kg CO2e pro Kilogramm Lebensmittel (WWF, 2012).
Pflanzliche Lebensmittel hingegen machen etwa 64% unserer durchschnittlichen Ernährung in Deutschland aus und sorgen dabei für etwa 31% aller ernährungsbedingten Treibhausgase (BMEL, 2022; WWF, 2012). Im Vergleich zu Fleisch verursachen pflanzliche Lebensmittel sehr viel weniger Treibhausgase: Sowohl Obst als auch Gemüse verursachen pro Kilogramm Frischgewicht durchschnittlich unter 1kg CO2e (WWF, 2012).
Der Transport von Lebensmittel fällt übrigens, verglichen mit dem, was du isst, kaum ins Gewicht und macht üblicherweise weniger als 10% des Fußabdrucks unserer Nahrung aus (Ritchie, 2020). Große Ausnahme ist Flugfracht: Bei dieser steigt der transportbedingte CO2e-Fußabdruck von Lebensmitteln um bis zu 170-mal mehr als beim Transport per Schiff (BMUV, 2019). Typische Flugfracht: Schnell reifendes und leicht verderbliches.
Konventionell produzierte Lebensmittel verursachen am meisten Treibhausgase, zum Beispiel wegen der Nutzung von chemischen Düngemitteln und Pestiziden. Ökologischer Anbau verzichtet darauf und nutzt stattdessen zum Beispiel wechselnde Fruchtfolgen, um dem Boden wieder Nährstoffe zuzuführen (Öko-Institut, 2018). Der Anteil an Bio-Landwirtschaft steigt zwar, liegt aber immer noch bei unter 10% (BMUV, 2020).
Ernährung und Lebensmittelverschwendung
Etwa ein Drittel aller Lebensmittel weltweit werden nicht gegessen, sondern verschwendet. Schätzungsweise 14% aller Lebensmittel gehen zwischen Ernte und Handel verloren - das entspricht einem Warenwert von rund 400 Milliarden Dollar pro Jahr (FAO, 2022a). Weitere 17% unserer Nahrungsmittel werden im Verkauf (inkl. Restaurants mit 6%) und in privaten Haushalten (11%) entsorgt oder verloren (UN, 2023).
Trotz immer besser werdender Datenlage bestehen noch immer große Unsicherheiten bezüglich des Ausmaßes der Lebensmittelverschwendung - vor allem in den Bereichen Produktion, Verarbeitung und Handel. Laut dem Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft fielen im Jahr 2020 in Deutschland etwa 10,9 Millionen Tonnen (noch genießbare) Lebensmittelabfälle an (BMEL, 2023).
Rund 59% aller Lebensmittelabfälle in Deutschland (6,5 Mio. Tonnen) fallen in privaten Haushalten an. Pro Kopf und Jahr sind das durchschnittlich 78 Kilogramm. 17% (1,9 Mio. Tonnen) aller Lebensmittelabfälle in Deutschland entstehen durch Außer-Haus-Verpflegung (Restaurants, Hotels etc.). Weitere 17% (1,8 Mio. Tonnen) fallen während der Produktion und Verarbeitung an und 7% (0,8 Mio. Tonnen) entfallen auf den Handel (BMEL, 2023).
Von den 6,5 Millionen Tonnen Lebensmittelabfällen, die jährlich in privaten Haushalten verkommen, gilt etwa die Hälfte als einfach vermeidbar. Jedes Jahr wirft jede Person durchschnittlich 235 Euro in Form von Lebensmitteln weg (BMUV, 2019). Werden Lebensmittel verschwendet oder weggeworfen, dann gehen auch alle für die Produktion benötigten Ressourcen verloren - zum Beispiel für den Anbau benötigtes Wasser, Flächen, Treibstoff, Arbeitskraft, Zeit und Geld (UN, 2023).
Die Lebensmittelverschwendung ist für etwa 38% des gesamten Energiebedarfs des Ernährungssystems verantwortlich (UN, 2023) und verursacht dabei laut einer aktuellen Studie etwa die Hälfte aller ernährungsbedingten Treibhausgas-Emissionen (Zhu et al., 2023). Insgesamt sollen Lebensmittelverluste für etwa 8-10% aller globalen Treibhausgase verantwortlich sein (FAO, 2022a). Zum Vergleich: Das ist etwa 5-mal mehr als der gesamte globale Flugverkehr verursacht (Ritchie et al., 2020).
Die Auswirkungen weggeworfener Nahrungsmittel sind weltweit spürbar und sorgen für eine zusätzliche Verteuerung und Verknappung von Lebensmitteln (UN, 2023). Mit der Menge an Lebensmitteln, die jährlich weggeworfen werden, könnten schätzungsweise 1,26 Milliarden Menschen ernährt werden (FAO, 2022a). In Deutschland verschwenden wir rund 25% aller landwirtschaftlichen Flächen durch das Wegwerfen von Lebensmitteln - 11 bis 18 Millionen Tonnen pro Jahr (BMEL, 2023; Germanwatch, 2021).
Lebensmittelverschwendung einzudämmen und effektiv und konsequent zu vermeiden, verbessert die weltweite Ernährungssicherheit, wirkt dem Klimawandel entgegen, spart Geld und verringert den Druck auf Wasser, Luft und Land sowie die Artenvielfalt. Nicht zu vergessen, die Abfallwirtschaft. Auch die würde profitieren - Win-Win-Win. Leider wird dieses Potenzial sowohl politisch als auch gesellschaftlich bisher nur wenig ausgeschöpft (UNEP, 2021). Bewusster Konsum rettet Leben.
Zusammenfassung und Fazit
Vielleicht geht es uns einfach zu gut. Wir haben den Rahmen so sehr gesprengt, dass wir überhaupt keinen Rahmen mehr sehen. Zum Abschluss dieses Artikels, als Zusammenfassung und Fazit, noch eine letzte Studie: Die vermeintlichen Umweltauswirkungen der Tierindustrie gemessen am Anteil der Landwirtschaft in Europa.
Die Tierindustrie verursacht in der Landwirtschaft in Europa (Leip et al., 2015):
- 78% der Verluste der Artenvielfalt
- 80% der Versauerung des Bodens
- 80% der Luftverschmutzung
- 81% der Erwärmung
- 73% der Wasserverschmutzung
Erhebliche Fortschritte bei der Eindämmung dieser Umweltauswirkungen in Europa sind nur durch eine Kombination aus technologischen Maßnahmen zur Verringerung der Emissionen aus der Tierhaltung, einer besseren Lebensmittelauswahl und einer geringeren Lebensmittelverschwendung der europäischen Bürger möglich (Leip et al., 2015).
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Und was können wir jetzt tun? Jede Menge! Hier findest du den Lösungs-Artikel (mit erläuternden Grafiken): Gesunde und nachhaltige Ernährung: Die Planetary Health Diet
Danke fürs Lesen und alles Gute,
Adrean
Quellen
Berners-Lee, M. (2021). Wie schlimm sind Bananen? Der CO2-Abdruck von allem. (32021. Aufl.). Midas Verlag AG.
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Hallo Adrean,
vielen Dank für sehr gut recherchierte die Analyse und auch das umfassende Quellenverzeichnis. Es ist schade, dass Diskussionen zu diesem Thema oft so stark polarisieren und es dann nur noch um die Frage geht, Fleischessen ja oder nein. Dabei wäre viel gewonnen, wenn nicht in Extremen gedacht, sondern die naheliegenden Maßnahmen zu einer besseren Verwertung und Verteilung von Lebensmitteln ergriffen würden. Auch die extreme Belastung von Lebensmitteln stimmt mich immer nachdenklicher. Was können wir eigentlich noch bedenkenlos essen – außer den Dingen, die wir selbst produzieren? Und was machen all die eingesetzten Gifte und Medikamente mit der Umwelt? Von daher bin ich gespannt auf deinen zweiten Beitrag und möglichen Lösungsansätzen.
Viele Grüße
Esther